Im Gegensatz zum individuellen Kompostieren, wofür es einen eigenen Garten oder zumindest eine kleine Freifläche braucht, kann gemeinschaftliches Kompostieren im Gemeinschaftsgarten, im Hof des eigenen Wohnhauses oder in öffentlichen Parks oder auf Plätzen stattfinden. Wo immer sich eine Gruppe von interessierten Nutzer:innen findet, kann ein gemeinschaftlicher Kompost angelegt werden.
Im Rahmen eines Erasmus+ Projektes (2023-2024) haben wir die Möglichkeit bekommen, gemeinsam mit Gartenpolylog aus Wien und Kokoza aus Prag neue Community Composting Projekte anzustoßen und zu unterstützen. Speziell interessiert uns von BodenschätzeN, ob es auch in Deutschland möglich ist, dass Menschen gemeinsam mit anderen nicht nur in Gartenprojekten sondern auch anderswo im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum ihr Bio-Gut selbst kompostieren. Wir wollen mit dem Erasmus+ Projekt der Stadt Berlin die Chance geben, ein Vorreiter für das Community Composting in Deutschland zu werden. Dass dieses Vorhaben in Deutschland besonders herausfordernd werden könnte, hat mit den Entwicklungen zu tun, die das Recycling und speziell die Verarbeitung „organischer Abfälle“ in den letzten Jahren genommen haben.
Hintergründe
Im Jahr 2015 hat die EU Kommission den ersten Aktionsplan verabschiedet, in dem es um die Einführung von Recycling-Konzepten in die Wirtschaft geht. 2020 wurde dieser Aktionsplan nochmals bekräftigt und im Zusammenhang des europäischen Green Deals neu aufgesetzt (link). In wenigen Punkten zusammengefasst, werden in diesen EU Plänen die folgenden Ziele verlautbart:
- Die Reduktion des Müllaufkommens
- Die Förderung von Produkten, die recycelt werden können
- Der Aufbau moderner Recycling-Infrastrukturen
- Die Harmonisierung von Recycling-Infrastrukturen innerhalb der EU
Diese Aktionspläne sind von den Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Weise in die nationalen Gesetze aufgenommen worden und werden auch verschieden umgesetzt.
Uns von BodenschätzeN interessiert dabei vor allem, was diese Aktionspläne und Gesetzgebungen für die Verwertung von Bio-Gut bedeuten.
Recycling von Bio-Gut
Die einzelnen EU Mitgliedstaaten gehen ganz unterschiedlich mit dem anfallenden Bio-Gut um. Zwei extreme Pole sind dabei Italien und Deutschland. Deutschland hat seit 2015 die gesetzliche Verpflichtung zur Mülltrennung und eine Art von Bioabfall Industrie eingeführt, die in allen Städten und Orten gleich aussieht: Müllabfuhrunternehmen stellen eine „Braune Tonne“ bereit und den Service, dass sie diese Tonnen regelmäßig abholen und das Bio-Gut recyclen, z.B. zu Komposterde, Dünger oder zu Bio-Gas, die der Ökonomie wieder zugeführt werden können. In Italien hingegen sind die Recycling-Konzepte in den Städten ganz verschieden. Hier hat sich mehr ein Bioabfall Puzzle entwickelt, an dem öffentliche, privatwirtschaftliche oder auch zivile Akteure beteiligt sind. Beispielhaft für eine dezentrale Lösung mit hoher Bürgerbeteiligung ist die Kommune Berceto. In einer Stadt mit ca. 2000 Einwohnern wurden 11 Komposte aufgestellt, die von den Bürger:innen unter der Anleitung der Stadtverwaltung und einer NGO selbst betreut werden. Jeder dieser Komposte wird von etwa 100 Menschen genutzt, die ihr Bio-Gut selbst dort hinbringen, es gemeinsam verkompostieren und schließlich die fertige Komposterde ernten und für ihre Pflanzen verwenden können.
Kokoza – Prag
Ähnliche Antworten auf die Frage, wie eine Gemeinde gut mit dem anfallenden Bio-Gut umgehen kann, haben die Kompost-Begeisterten von Kokoza gefunden. Kokoza hat in Zusammenarbeite mit Kommunalpolitikern und Privatleuten Möglichkeiten geschaffen, dass die Menschen selbst ihre Küchenabfälle verkompostieren und Erde gewinnen können. In Zusammenarbeit mit einer Werkstatt, die von Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung betrieben wird, fertigt Kokoza Kompostkammern und stellt sie für Community Composting Projekte zur Verfügung.
Ebenfalls unterstützen die Kompost-Begeisterten von Kokoza Community Composting Projekte, bei denen Wurmkisten oder andere Kompostsystemen zum Einsatz kommen. Besonders ambitioniert ist Kokozas „Rocket“ Komposter, ein elekrisch betriebener Trommelkomposter, mit dem die gesamten Lebensmittelabfälle des Holešovice Markt kompostiert werden.
Gartenpolylog – Wien
Die Aktivist*innen von Gartenpolylog haben erst kürzlich begonnen, auch in Wien Kompoststationen im öffentlichen Raum aufzustellen, die von der Nachbarschaft nach einer Einführung in die Grundlagen der Kompostierung gemeinschaftlich genutzt werden können. Ein Beispiel sind die Kompostkammern in Fünfhaus, in Florisdorf und in der Seestadt.
BodenschätzeN – Berlin
… und was ist mit Deutschland? Ist es möglich, auch hierzulande gemeinschaftlich im öffentlichen oder im halböffentlichen Raum zu kompostieren, obwohl in allen Städten Deutschlands bereits ein vollumfänglicher Recycling-Service von den Lebensmittelabfällen bis hin zum Sondermüll ausgebaut wurde?
Das Projekt BodenschätzeN wurde mit dem Ziel gegründet, den Menschen
die Prozesse im Boden auf eine verständliche Art nahe zu bringen und damit zur gesellschaftlichen Anerkennung und Wertschätzung dieser klimatisch und ökologisch ausschlaggebenden Ressource beizutragen.
Wenn die Haushalte sich ihrer Küchenabfälle „entledigen“, indem sie sie in eine Braune Tonne schmeißen, gibt es kaum Berührungspunkte mit der Tatsache, dass diese Abfälle aus der Perspektive der Möglichkeit ihrer Vererdung in Wirklichkeit ein kostbares Gut sind. Aus diesem Grund hoffen wir, dass es uns im Rahmen des Erasmus+ Projektes gelingen wird, den Aufbau von Community Composting Projekten in Deutschland anstoßen und ein Pilotprojekt in Berlin starten zu können.
Von der Europäischen Union finanziert. Die geäußerten Ansichten und Meinungen entsprechen jedoch ausschließlich denen der Autor*in und spiegeln nicht zwingend die der Europäischen Union oder der OeAD-GmbH wider. Weder die Europäische Union noch die OeAD-GmbH können dafür verantwortlich gemacht werden.