Artikel von Miren Artola in dem Gartenmagazin Parzelle, Ausgabe 3

Berliner Gemeinschaftsgärten brauchen endlich festen Boden unter den Füßen

In der wachsenden Stadt Berlin wächst auch die Flächenkonkurrenz. Bei der Priorisierung von Nutzungen sind Gartenflächen besonders bedroht und gezwungen, ihre Daseinsberechtigung zu verteidigen. Warum sollte man da nicht neuartige Flächen zum Gärtnern erschließen? Und zwar auf dem Dach? Oder gar vertikal? Wenn man bedenkt, dass es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich ist, auf betonierten Flächen in Hochbeeten zu gärtnern, sind solche Entwicklungen durchaus denkbar.

Doch welche Probleme gibt es mit Hochbeeten? Sie sind flexibel, schick und urban, sie sind heute da und morgen ziehen sie schon wieder weiter. Die Verantwortlichen für Stadtentwicklung haben das „mobile“ Konzept bisher meist mit offenen Armen begrüßt. Verständlich, denn es ermöglicht temporär ökologisch und sozial interessante experimentelle Flächennutzungen, ohne die gängige Praxis der dauerhaften Flächenvergabe und die damit verbundene Priorisierung von Nutzungsinteressen infrage zu stellen. Für viele Akteur*innen der neuen urbanen Gärten wie mich waren Hochbeete ein notwendiger Kompromiss, um überhaupt auf öffentlichem Raum gärtnern zu können.

Auf Hochbeeten zu gärtnern, die auf zubetonierten oder vergifteten urbanen Flächen stehen, kann in der Tat eine Alternative sein. Es ist durchaus rückenschonend und hundefreundlich außerdem. Allerdings sind die gärtnerischen und ökologischen Erfahrungen dort weniger intensiv als auf einem klassischen Gartenboden. Gärtnern auf Hochbeeten ist eine verkürzte Version, weil dadurch kein kultivierter Boden entsteht, der Grundlage für Pflanzenwachstum und für die Entstehung der meisten nachwachsenden und fossilen Ressourcen ist.

In Hochbeeten gibt es zwar Erde, aber praktisch keine oder nur wenig Verbindung zum Boden, der erst durch eine fortdauernde Kultivierung seine Vitalität entwickelt. Das kleine Ökosystem im Hochbeet ist anfälliger und stärker der Witterung ausgesetzt: Die Erde wird vom Wind fortgeweht und vom Regen weggespült. Sie muss praktisch jährlich ersetzt oder aufgefüllt werden, meist mit gekaufter Erde aus dem Garten- oder Baumarkt. Sie ist homogen und steril, hygienisiert und keimfrei, ohne Boden verbessernde Organismen. Sie ist frei von jeder Durchwurzelung und ohne hilfreiche Kleinstlebewesen schlecht durchlüftet, weshalb eine Tendenz zu Staunässe entsteht, während andererseits bei Starkregen das Wasser schlecht gehalten wird. Auf Hochbeeten einen lebendigen, den Bedingungen des Standorts entsprechenden Boden aufzubauen, ist mühsam oder ganz unmöglich.

Boden wird oft als etwas Gegebenes, Unveränderbares wahrgenommen und behandelt. Intensiver Ackerbau, Bodenverdichtung und -versiegelung, Überdüngung und Belastung mit Schwermetallen gefährden jedoch das Gleichgewicht massiv und vermindern die wichtigen ökologischen Funktionen von Böden. Der Hochbeet-Hype kann auch als Ausdruck des gleichgültigen gesellschaftlichen Verhältnisses zum Boden interpretiert werden. Der Blick liegt vordergründig auf dem Ertrag, auf dem Wachstum der Pflanzen, ohne die notwendige Grundlage, nämlich den Boden, ausreichend zu berücksichtigen. Was in erster Linie zählt, ist der schnell sichtbare Erfolg. Während die Bodenkultivierung vernachlässigt wird. Es ist viel befriedigender, auf Flächen mit einer langfristigen Perspektive zu gärtnern. Die Gelegenheit, den bearbeiteten Boden kennenzulernen, sich ansiedelnde Organismen kontinuierlich zu beobachten und etwas über die von ihnen bevorzugten Lebensräume zu lernen, verändert den Blick auf das kultivierte Land. Die Beschäftigung mit dem Leben, das sonst unter unseren Füßen verborgen ist, bietet uns wichtige Erfahrungen über den Umgang mit der Umwelt. Denn es ist wichtig, mehr Wissen über die lebenswichtige Ressource Boden in der Gesellschaft zu verankern und einen persönlichen Bezug zu ihr herzustellen.

Die Experimentierphase vieler urbaner Gärten hat gezeigt, dass Stadtnatur und besonders Gärten, die man gestalten kann, für das Wohlbefinden der Bevölkerung einen hohen Stellenwert haben. Gerade während der COVID-19-Pandemie wird deutlich, wie wichtig diese Orte sind. Es ist möglich und nötig, die vorhandenen Gartenräume zu erhalten und zu erweitern. Beton kann aufgebrochen und Stadtboden kann freigelegt werden, verdichtete Böden können kultiviert und der Natur kann Platz eingeräumt werden, um so eine resiliente Struktur für die Stadt der Zukunft aufzubauen. Allerdings braucht es dafür vor allem politischen Willen.

Gemeinschaftsgärten sind keine Verschiebemasse und brauchen deshalb keine beweglichen Hochbeete. Sie sind fest verbunden mit ihren Stadtteilen und den Menschen, die sie gestalten.

Nein, ich will nicht aufs Dach. Dort weht der Wind zu stark, die Sonne scheint zu gnadenlos und der wärmende Schutz des Bodens ist zu weit weg.

Mit unserem Projekt BodenschätzeN tragen wir dazu bei, mehr Wissen und vor allem einen persönlichen Bezug zu dieser lebenswichtigen Ressource zu schaffen. Wir veranstalten praktische Workshops zu vielen bodenrelevanten Themen, meist kostenlos.